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Der Amazonas in Bern

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Wolken, Regen und Wind – der Wonnemonat Mai war bisher vor allem fruchtbarer Nährboden für Feriengelüste. Ein idealer Ort, solche Gelüste trotz geringer finanzieller und zeitlicher Ressourcen in unmittelbarer Nähe stillen,ist das Vivarium des Tierparks.

Infolge der Schlagzeilen rund um die vom Schicksal geplagte Bärenfamilie geht allzu leicht vergessen, dass der Berner Zoo nebst den Bären noch mit andern Reizen auftrumpft. Etwa mit durchgehend tropischen Temperaturen, einem Riff, vollgepackt mit bunten Fischen und Korallen. Und mit dem neuen Amazonasbecken.

Zwar ist der Amazonas in Bern um einiges kleiner und auch etwas weniger gefährlich als das Original, einige interessante Schöpfungen der Natur gibt es aber auch hier zu finden. Etwa Piranhas oder deren grosse Verwandte, die Pakus. Letztere sind insbesondere deshalb interessant, weil sie sich in Gefangenschaft vom Pflanzen- zum Fleischesser entwickelt haben und somit jedem hippen Trend trotzen. Der Albtraum eines jeden Veganers quasi.

Um zu verstehen, wie ein Stück Amazonas im klimatisch eher amazonasfeindlichen Bern überhaupt überleben kann, folge ich Tierpflegerin Marina Gerber in den abgeschlossenen Bereich des Vivariums. Dort überraschen als erstes die vielen Rohre. Von der Natur ist hier nicht mehr viel zu sehen – Ventile, Schrauben, Wasseraufbereitungsanlagen und Filter um Filter prägen das Bild. Nennenswert ist hier etwa eine Einrichtung namens Kalkreaktor, eine Art Säule gefüllt mit Kalkpartikeln, durch die das Wasser fliesst und so gereinigt wird.

Weiter hinten in den Katakomben findet sich auch ein verstecktes Labor zur Kontrolle der Wasserwerte. «Erhöht sich der pH-Wert zu sehr, entwickelt sich aus dem Kot der Fische giftiges Ammoniak und Nitrit», erklärt Frau Gerber und führt mich zu einer Wand voller Wasserzusätze, die die Wasserzusammensetzung stabilisieren sollen. Vitamine, Kalzium – würde man sich nicht in den Katakomben eines Tropenhauses befinden, die Präparate gingen auch als Leistungsförderer für Hochleistungssportler durch.

Vom Labor gehts dann direkt zur Nahrungszubereitung der Aquariumbewohner. Auch diese gestaltet sich aufwändig. Die verschiedenen Fische fressen alle etwas anderes, am anspruchsvollsten sind hier zweifelsohne die Buntbarsche, denen der frische Fisch fein säuberlich in maulgerechte Stücke geschnitten wird.

Wieder zurück aus dem Maschinenraum wirkt das Amazonasbecken nun plötzlich sehr bescheiden. Keine Spur von der Komplexität, die nötig ist, um dieses kleine Ökosystem am Leben zu erhalten. Die Fische drehen ihre Runden, fressen und schauen uns danach wieder ähnlich teilnahmslos an wie zuvor.

Dabei wandern die Gedanken zum grossen Bruder des Beckens, dem Original in Südamerika. Dass der Amazonas dort ganz ohne Filteranlage und Wasserzusätze auskommen soll, erstaunt angesichts des hiesigen Aufwands schon etwas. Ich werde den Gedanken nicht los, dass dort irgendwo inmitten des Dschungels noch ein ganz, ganz grosser Kalkreaktor zu finden ist.


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